- Kino der Fünfzigerjahre: Restauration
- Kino der Fünfzigerjahre: RestaurationIn den Fünfzigerjahren erlebte die amerikanische Filmwirtschaft einen einschneidenden Wandel, der die Bedingungen und Strukturen der Filmproduktion ebenso veränderte wie die Filme selbst. Die Kriegsjahre hatten der amerikanischen Kinoindustrie einen gewaltigen wirtschaftlichen Aufschwung gebracht, der nach dem Krieg bald sein Ende fand: Die rasch einsetzende Heiratswelle und der nachfolgende Babyboom führten zu einem deutlichen Rückgang der Besucherzahlen. Die jungen Ehepaare zogen aus den urbanen Zentren in die Vorstädte und widmeten sich dem Familienleben. Zudem waren die Kinos mit einer wachsenden Anzahl vielfältiger Freizeitvergnügungen und mit der Konkurrenz des Fernsehens konfrontiert. Die Branche reagierte auf den Zuschauerrückgang mit technisch-ästhetischen Neuerungen: Doch auch Attraktionen wie breitere und scheinbar dreidimensionale Bilder konnten einen Prozess nicht aufhalten, an dessen Ende der Untergang des klassischen Studiosystems stand.Die industrielle Infrastruktur des Studiosystems, dessen monopolistische und planwirtschaftliche Tendenzen dem Prinzip des freien Wettbewerbes Hohn sprachen, war der amerikanischen Regierung schon lange ein Dorn im Auge gewesen: Ihre Bemühungen um eine Entflechtung der großen Kartelle richteten sich gegen die Theaterketten im Besitz der Studios und gegen Geschäftspraktiken, die den Kinobesitzer verpflichteten, unbesehen ein ganzes Paket von Filmen abzunehmen. Als Ergebnis der Antitrust-Klage der Regierung zwang der Oberste Gerichtshof im Mai 1948 mit dem »Paramounturteil« - Paramount führte die Liste der beklagten Studios an - die Studios, sich sukzessive von ihren Theaterketten zu trennen und auf die bislang gebräuchlichen Geschäftsusancen zu verzichten.Als eine Neuregelung der Steuergesetzgebung die Abgaben für Spitzenverdiener drastisch erhöhte, fürchteten viele der hoch bezahlten Talente Hollywoods mit Langzeitkontrakten finanzielle Einbußen und sahen sich nach neuen Möglichkeiten um. Sie bevorzugten nun Verträge über einzelne Projekte, die sie selbst mitfinanzierten. Viele gründeten eigene Produktionsfirmen und schafften damit die Voraussetzungen für ein neues amerikanisches Kino, das in den späten Sechzigerjahren entstehen sollte. Noch aber dominierte die Produktion von Genrefilmen, wenn auch mit veränderten Vorzeichen: Der Western hatte nach dem Zweiten Weltkrieg seine Naivität verloren; das Verhältnis von historischer Realität und epischer Idealisierung definierte sich neu. Nicht mehr den Siegen und Erfolgen des Westernhelden galt der Blick des Genres, sondern seinen Niederlagen und Wunden. Filme wie »Meuterei am Schlangenfluss« (1951) von Anthony Mann oder »Zwölf Uhr mittags« (1952) von Fred Zinnemann präsentierten einen in die Krise geratenen Helden und reflektierten Problematiken der McCarthy-Ära.Historische Abenteuerfilme waren bis zur Mitte des Jahrzehnts sehr populär. Das mittelalterliche England war die bevorzugte Kulisse dieser farbenfrohen Kostümepen, in denen die Schauspieler ihre athletischen Qualitäten unter Beweis stellten, um am Ende das Herz eines adligen Fräuleins zu gewinnen wie in »Der eiserne Ritter von Falworth« (1954) von Rudolph Maté. Eine Spielart des Abenteuerfilms war der »Eastern«, der seine Stoffe aus der Sagen- und Märchenwelt des alten Orients entlehnte. Damaskus, Bagdad und Algier hießen die fernen Schauplätze; grausame Sultane, kühne Prinzen und schöne Odalisken, fliegende Teppiche und magische Schwerter spielen wichtige Rollen (»Der Wüstenfalke«, 1951, von Frederick De Cordova).Die Melodramen erzählen von unerfüllten Sehnsüchten, von erfolglosen Versuchen, gegen gesellschaftliche Regeln und Konventionen privates Glück zu ertrotzen. Schauplatz des Melodrams ist in der Regel das ländlich-kleinstädtische Amerika der restaurativen Eisenhower-Ära, an dessen repressiver Moral individuelle Glücksansprüche scheitern - so in »Was der Himmel erlaubt« (1955) und »In den Wind geschrieben« (1956) von Douglas Sirk. Wie alle Genres der Dekade veräußerlicht auch das Melodram Gefühle, Gemütsverfassungen und innere Konflikte in einer plakativen, künstlichen, antipsychologischen Form. Eindeutige Symbolik, pathetischer Einsatz von Musik, expressive Farbgebung und gliedernde Choreographie sind seine ästhetischen Mittel; zu seinen dramaturgischen Merkmalen gehört die Zerdehnung der Zeit: Intensität und Maßlosigkeit der Gefühle manifestieren sich in Momenten der Statik, die visuell in Tableaus aufgelöst werden.Im Sciencefictiongenre treten die zeitgenössischen Ängste besonders deutlich hervor. Invasions- und Monsterfilme wie »Tarantula« (1955) von Jack Arnold oder »Invasion vom Mars« (1953) von William Cameron Menzies thematisieren die Furcht vor der Zerstörung der Menschheit durch eine nukleare Katastrophe oder vor kommunistischer Unterwanderung. Letztere hatte für viele Beschäftigte der Filmindustrie fatale Folgen: 1947, im Zuge des Kalten Krieges, begann der Ausschuss zur Untersuchung unamerikanischer Umtriebe (House Un-American Activities Committee, kurz HUAC), auch in Hollywood nach Kommunisten zu suchen. Zehn geladene Zeugen, die »Hollywood ten«, verweigerten die Aussage, wurden verurteilt und verloren ihre Arbeit in der Filmindustrie. Während der »Hexenjagd« der folgenden Jahre, die der ultrakonservative Senator Joseph McCarthy anführte, wurden über 200 Mitarbeiter der Filmbranche auf die »schwarze Liste« gesetzt, was de facto Berufsverbot bedeutete.Durch die vollständige Verschmelzung von Songs, Tanz und Handlung erfuhr das Musical in den Fünfzigerjahren seinen künstlerischen Höhepunkt. In den Filmen von Vincente Minnelli (»Ein Amerikaner in Paris«, 1951), Stanley Donen (»Ein süßer Fratz«, 1957) oder George Sidney (»Mississippi-Melodie«, 1951) waren die Genreelemente gleichwertige, integrale Bestandteile der Handlung. Gesang und Tanz bedürfen keiner Erklärung mehr. Diese Musicals schaffen ihre eigene Realität, verflechten Traum und Wirklichkeit und setzen die Regeln des Alltags außer Kraft. Mit dem Niedergang des Studiosystems endete auch die Blütezeit des Genres, das wie kein zweites Ergebnis des kollektiven Schaffensprozesses in Hollywood war.Mit der Gründung der Bundesrepublik erlebte die Filmwirtschaft in Deutschland einen Aufschwung, der bis Ende der Fünfzigerjahre anhielt. Die inhaltliche und formale Neuorientierung der frühen Nachkriegsjahre jedoch wich einer Rückbesinnung auf Bekanntes und Vertrautes. Keine Experimente: Adenauers Wahlspruch galt auch für das westdeutsche Kino der Fünfzigerjahre. »Schwarzwaldmädel« (1950), der erste deutsche Farbfilm der Nachkriegszeit, lancierte das Genre des Heimatfilms, in dem die von den Kriegsereignissen und zivilisatorischen Eingriffen unberührte Landschaft den Hintergrund für eine Liebesgeschichte bildet: Schwarzwald, Alpen oder Heide erscheinen als archaische Idylle und beschwören ein Bild von Kontinuität und heiler Welt, in der die Menschen in ein tradiertes, gegen politische und gesellschaftliche Veränderungen resistentes Regelsystem eingebunden sind.Der größte Publikumserfolg der Fünfzigerjahre war »Grün ist die Heide« (1951), in dem - wie schon in »Schwarzwaldmädel« - Sonja Ziemann und Rudolf Prack die Hauptrollen spielten. Die beiden waren neben Maria Schell und O. W. Fischer sowie Ruth Leuwerik und Dieter Borsche eines der Traumpaare des deutschen Films jener Dekade. An deren Ende lösten mediterrane Urlaubslandschaften die heimischen Wälder und Berge auf der Leinwand ab: Ferienfilme in greller Farbigkeit bestätigten das langsam aufkeimende Fernweh der wirtschaftlich prosperierenden Westdeutschen.Seichte Lustspiele, derbe Verwechslungskomödien und Schlagerfilme voller Klamauk waren ebenfalls beliebt im westdeutschen Kino der Fünfzigerjahre, dem auch die aus den USA zurückkehrenden Emigranten wie Fritz Lang, Wilhelm Dieterle oder Robert Siodmak keine neuen Impulse zu geben vermochten. Allein manche Melodramen blickten gelegentlich hinter die Fassade des selbstgefälligen Wirtschaftswunder-Optimismus und erzählten von unterdrückten Gefühlen, ungestillten Sehnsüchten und sexuellem Verlangen. International blieb bundesdeutschen Filmen jeder Erfolg versagt. Für neue Inhalte und eine von dem Vorbild der Dreißiger- und Vierzigerjahre abweichende Ästhetik fehlten im restaurativen Klima der Adenauer-Ära die Voraussetzungen. Zudem hatten viele Filmschaffende, die bereits in der nationalsozialistischen Kinoindustrie gearbeitet hatten, weder Interesse an einer Aufarbeitung der Vergangenheit noch an aktuellen Problemen. Zwar verzeichneten die Kinos 1956 die nie erreichte Zahl von über 800 Millionen Zuschauern, doch in den Jahren danach sank diese Zahl rapide. Viele Lichtspielhäuser mussten schließen, die Kinokrise begann.Japans Filmgeschichte beginnt bereits Ende des 19. Jahrhunderts. Doch die Nähe zu den Bühnenkonventionen des traditionellen japanischen Theaters - so wurden wie im Kabuki-Theater Frauenrollen von Männern gespielt - erschwerten eine eigenständige stilistische und technische Entwicklung des Kinos in Japan. Ein Charakteristikum der japanischen Kinokultur war der Vortrag, mit dem Stummfilme begleitet wurden. Die »Benshi« genannten Vortragskünstler schilderten den Inhalt der Filme weit ausführlicher als die Zwischentitel, spielten die Handlung häufig sogar mit. Durch den Widerstand der »Benshi« vollzog sich die Einführung des Tons im japanischen Kino nur langsam; noch bis Ende der Dreißigerjahre existierten neben den Tonfilmen Stummfilme. Als Zentren der Filmproduktion in Japan etablierten sich Tokio und Kyōto. Während in den Studios von Tokio Filme mit zeitgenössischer, häufig im Milieu der Mittelklasse verankerter Handlung (»gendai-geki«) entstanden, wurden in der alten Kaiserstadt Kyōto, die eine realistische Kulisse für Außenaufnahmen bot, vor allem historische Kostümfilme (»jidai-geki«) gedreht.In den Dreißigerjahren war die japanische Filmindustrie, die von wenigen Firmen beherrscht wurde, nach der amerikanischen weltweit die produktivste. Filme im Milieu von Kleinbürgern, Melodramen und Samurai-Filme waren während dieser ersten Blütezeit des japanischen Kinos besonders populär. Während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg sank die Anzahl der in Japan gedrehten Filme - ab 1939 unterlag die Filmindustrie de facto staatlicher Kontrolle und produzierte vornehmlich Kriegsfilme - drastisch, sie erreichte 1950 jedoch wieder das Vorkriegsniveau und erlebte im folgenden Jahrzehnt seine Blütezeit. Die Regisseure Mizoguchi Kenji und Ozu Yasujirō, die bereits seit den Zwanzigerjahren Filme inszeniert hatten, realisierten während der Fünfzigerjahre ihre Meisterwerke. Im Mittelpunkt von Mizoguchis realistischen Filmen stehen Frauen, ihr Leid und ihre Unterdrückung durch familiäre und gesellschaftlichte Strukturen während verschiedener Epochen der japanischen Geschichte. Lange, ungeschnittene Einstellungen sind ein auffälliges inszenatorisches Merkmal von Mizoguchis Filmen in den Fünfzigerjahren. Ozu beschäftigt sich in seinen den bürgerlichen Alltag schildernden Filmen mit dem Verfall von Familienverbänden und der daraus erwachsenden menschlichen Vereinsamung. Er bevorzugt statische, präzise komponierte Einstellungen, aufgenommen von einem niedrigen Kamerastandpunkt.Während Mizoguchi und Ozu der traditionellen japanischen Ästhetik auch in der Nachkriegsära treu blieben, verarbeiteten jüngere Regisseure in ihren Filmen zunehmend westliche Einflüsse. So adaptierte Kurosawa Akira literarische Vorlagen von Shakespeare und Dostojewskij, und er benutzte Erzählmuster amerikanischer Genrefilme. Nachdem sein Film »Rashomon«, der sich mit der Relativität von Wahrheit beschäftigt, bei den Filmfestspielen von Venedig 1951 den Goldenen Löwen erhalten hatte, fand das japanische Kino erstmals auch internationale Beachtung. Neben zeitgenössischen Dramen inszenierte Kurosawa immer wieder historische Stoffe aus dem feudalistischen Japan. »Die sieben Samurai« (1954), »Yojimbo - Der Leibwächter« (1961), »Kagemusha - Der Schatten des Kriegers« (1980) und »Ran« (1985) sind bildkräftige Epen voller Gewalt.Die traumatische Erfahrung von atomarer Vernichtung fand ihren Niederschlag in einem Zyklus sehr populärer Sciencefictionfilme über Monster. In »Godzilla« (1954) von Honda Inoshirō, dem ersten und bekanntesten Film dieses Genres, erscheint das durch eine atomare Explosion zum Leben erwachte Urwelttier Godzilla als inkarnierte Rache für die von Menschen geschaffene Bedrohung der Natur. Nachdem die Zuschauerzahlen 1958 einen Rekord erreicht hatten, geriet die japanische Filmwirtschaft während der Sechziger- und Siebzigerjahre in eine wirtschaftliche Krise. Angesichts sinkender Einnahmen entschlossen sich Anfang der Sechzigerjahre einige Filmfirmen, jungen, ideenreichen Regisseuren anspruchsvolle Projekte zu finanzieren, um ein neues Publikum zu gewinnen. Von diesen Regisseuren der japanischen neuen Welle erlangte Ōshima Nagisa das größte Renommee. Er verband in seinen Filmen politisches Engagement, Sozialkritik und die freizügige Darstellung von Gewalt und Sex: »Im Reich der Sinne« (1976), ein Film über sexuelle Leidenschaft und Obsessionen, endet mit der rituellen Ermordung des Mannes durch die Frau.Mit einer Jahresproduktion von zurzeit etwa 900 Spielfilmen, die doppelt so hoch ist wie die Hollywoods, besitzt Indien die größte Filmindustrie der Welt. Die Filme werden in den ungefähr 13 000 einheimischen Kinos gezeigt und in Länder mit größeren indischen Bevölkerungsanteilen exportiert: nach Großbritannien und Kanada, in die USA und einige asiatische und afrikanische Staaten. Die indischen Sprachen, die des indischen Subkontinents, werden auf mehr als 1500 Einzelsprachen geschätzt, aus denen sich 15 regional gebundene Hauptsprachen herausheben. Schon aus sprachlichen Gründen entstanden mit der Einführung des Tonfilms verschiedene Produktionszentren: In Bombay und Madras werden Filme in den Sprachen Hindi (neben Englisch Amtssprache in Indien) und Hindustani gedreht, »All-India-Produktionen«, die landesweit verliehen werden. Kennzeichnend für die All-India-Filme sind musikalische und tänzerische Einlagen, die die Handlung von Zeit zu Zeit unterbrechen. Kalkutta ist Sitz der bengalischen, der größten regionalen Industrie. Seit dem Zweiten Weltkrieg prosperierte die indische Filmindustrie kontinuierlich. In den Fünfzigerjahren fand die »Apu«-Trilogie (»Apus Weg ins Leben«, 1. Teil 1955, 2. Teil 1956, 3. Teil 1959) internationale Beachtung. In diesen mit Laiendarstellern an Originalschauplätzen gedrehten Filmen konterkarierte der bengalische Regisseur Satyajit Ray die melodramatischen Konventionen der Branche. Solche kritisch-realistischen Produktionen blieben jedoch selten; in der Regel werden aufwendige, epische Genremischungen mit sehr jungen Schauspielern gedreht, deren Ausstattung und Stargagen 80 Prozent des Produktionsbudgets verschlingen.Dr. Daniela Sannwald/Robert MüllerFilmklassiker. Beschreibungen und Kommentare, herausgegeben von Thomas Koebner. 4 Bände. Sonderausgabe Stuttgart 21998.Geschichte des internationalen Films, herausgegeben von Geoffrey Nowell-Smith. Aus dem Englischen. Stuttgart u. a. 1998.Sachlexikon Film, herausgegeben von Rainer Rother. Reinbek 1997.
Universal-Lexikon. 2012.